Ringvorlesung: "Was hilft heilen?"

Wünsche für die Mediziner von morgen

Memo zur Vorlesung von Eckart v. Hirschhausen

  1. Erinnert Euch, wofür ihr mal gestartet seid! Am besten schreibt ihr einmal auf, was Euch wichtig ist, warum ihr Medizin studieren wollt und was ihr anders machen wollt. In jedem Semester schaut ihr einmal auf den Zettel und checkt, ob ihr auf der richtigen Spur seid. Morgens in den Spiegel schauen hilft auch!
  2. Ihr seid das Medikament! Die Wirkung von jedem Schmerzmittel hängt zu 35% davon ab, mit welchen Worten, welcher Haltung und welcher Zuwendung ihr es verabreicht. Entwickelt eure Persönlichkeit. Per-Son ist, wer sich durch die Maske zu erkennen gibt. Ihr spielt eine große Rolle im Leben von anderen Menschen - spielt sie gut!
  3. Lernt von den besten. Wer sind Eure Vorbilder. Welcher Arzt, Lehrer, Pflegekraft, Erzieher hat euch schon als Kind beeindruckt und geprägt? Packt eine Schatzkiste von guten Beispielen und persönlichen Geschichten. Medizin lernt man aus Büchern. Heilkunst vermittelt sich, wie jede Kunst, durch die Meister des Fachs, die ihre Kunst intuitiv vorleben, vermitteln und mit anderen teilen. Schaut euch die an, geht zu guten Vorlesungen, Forschern, Praktikern, famuliert über die ganze Welt und surft im Netz nach inspirierenden Vertretern wie zum Beispiel dem Chirurgen Atul Gawande, dem Kardiologen und Friedensnobelpreisträger Bernard Lown, oder dem Placebo-Forscher Ted Kaptchuk. Lest bewegende Biografien über Helden wie Florence Nightingale, eine Begründerin der modernen Krankenpflege, oder aktuelle Forscherinnen wie Tania Singer, die als Hirnforscherin darüber forscht, wie man Achtsamkeit, Empathie und Perspektivwechsel trainieren kann. Werdet selber zu einem guten Vorbild für andere ;-)
  4. Pflegt Freundschaften! Macht einen roten Kringel im Adressbuch um die Menschen, mit denen ihr lachen, weinen und schweigen könnt. Das sind Eure größten Schätze - gerade wenn sie nichts mit Medizin zu tun haben. Pflegt Eure Hobbys und Macken! Engagiert Euch sozial, denn dabei lernt ihr Euch besser kennen, baut neue Fähigkeiten auf und lernt viel über Menschen. All das ist bestes Training um zu verstehen, wie andere ticken, was sie brauchen und was Medizin kann und was sie nicht kann.
  5. Wenn ihr nicht mehr könnt, holt euch Hilfe. Leistungsdruck macht krank. Sucht, Suizid und Depression prallen nicht am weißen Kittel ab, im Gegenteil sind helfende Berufe traditionell schlecht darin, sich selber pfleglich zu behandeln. Ihr müsst gut für Euch sorgen, wenn ihr für andere sorgen wollt.
  6. Ihr macht schon als Studenten einen Unterschied. Macht Fehler! Und redet darüber. Traut euch Dinge anzusprechen. Ihr seid noch wacher als viele, die schon betriebsblind oder zynisch geworden sind. Macht den Mund auf, wenn etwas schiefgeht. Besser schon vorher. Setzt euch zu Patienten ans Bett, die in Not sind. Haltet ihre Hand. Ein paar Minuten Zuwendung können für einen anderen Menschen lebensrettend sein.
  7. Begegnet und berührt Menschen so, wie es ihnen gut tut. Bevor ihr los redet, schaut Menschen einmal ins Gesicht. Und bevor ihr jemandem in die Armbeuge stecht, fühlt mal die Hand und den Puls. Klingt komisch, ist aber nicht selbstverständlich. Durch achtsamen Blick- und Körperkontakt könnt ihr viel Vertrauen aufbauen.
  8. Die Fächer, die einen im Studium lästig und überflüssig vorkommen, sind wichtig: Psychologie, Soziologie, Statistik, Public Health und vor allem Kommunikation. Die größten Herausforderungen sind nicht auf der Rezeptor-Ebene, sondern auf der gesellschaftlichen! Soziale Ungerechtigkeit macht krank und Unglück können wir uns nicht länger leisten. Die großen Themen der Gegenwart und Zukunft sind seelische Gesundheit, Altersmedizin, Prävention von Hochdruck, Fettleibigkeit, Depression und Demenz. Es ist naiv zu glauben, dass es dafür jemals einen Schalter oder eine Pille geben kann. Gesundheit findet im Alltag statt, wo Wissen zu Verhalten wird und zu Lebensfreude.
  9. Die Zukunft der Medizin ist weiblich, patienten- und prozessorientiert, präventiv, und kommunikativ. Die Ausbildung bevorzugt nach wie vor oft Einzelkämpfer, Spezialistentum und Ellenbogen. Gute Ideen setzen sich nicht nur durch, weil sie gut sind, sondern weil die Gegner aussterben. Haltet durch!
  10. Pflegt die Pflege! Lernt von fitten Stationsleitungen und gebt Anerkennung und Wertschätzung, wo ihr könnt. Ohne Pflegekräfte wird nichts von euren schlauen Verordnungen beim Patienten landen. Feiert gemeinsame Erfolge! Macht Fotos von Patienten, denen ihr helfen konntet, so wie die Kinderfotos auf der Neonatologie einem mit einem Blick sagen, dass es sich lohnt zu kämpfen, so könnte es auf jeder Station Fotos, Postkarten und Bilder geben, die einen daran erinnern, wie oft wir helfen können.
  11. Der Tod ist nicht euer Feind. Menschen sind sterblich, und das ist gut so. Ein Leben ohne Ende wäre sterbenslangweilig. Nur durch die Endlichkeit bekommt jeder Moment seinen unwiederbringlichen Wert. In existentiellen Momenten steht die Zeit still. Lernt loszulassen und da zu sein, ohne etwas tun zu müssen. The Art of Medicine is to do as much Nothing as possible (House of God)
  12. Humor beginnt da, wo der Spaß aufhört. Humor ist nichts Oberflächliches, sondern das tiefe Verständnis davon, dass Dinge manchmal nicht zu ändern sind, das Leben gleichzeitig schön und schrecklich sein kann, und dass wir aus Staub kommen und zu Staub werden und dazwischen versuchen, viel Staub aufzuwirbeln. Habt eine rote Nase dabei, verschenkt, wo ihr könnt, ein Lächeln, und wo es passt eine Umarmung. Steckt andere an.

Wie in der Vorlesung versprochen, warte ich auf Eure Geschichten, heitere und ernste, kurze Momente mit Patienten, Vorbilder oder Einsichten von Euch, Rückmeldung und Visionen. Jede Mail wird gelesen - nicht alle schaffe ich zu beantworten, aber es geht nichts verloren.

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